I. Vorwort
„Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss“
(von Herder)
Aktuell fehlt es an Selbstverständlichkeit im öffentlichen Diskurs. Menschen müssen sich ständig erklären:
Diese Fragen zeugen weniger von Interesse und Neugier als vom Bedürfnis nach Selbstvergewisserung. Der Heimatbegriff wird politisch instrumentalisiert.
Heimat wird nicht als gegenwärtiger Wunschort gedacht, sondern als über Generationen erworbene Definitionsmacht über Territorium. Statt Differenzierung erleben wir Diskriminierung. Heimat wird verstanden als geschlossener Schutzraum gegen das Andere, das vermeintlich Fremde, Unerwünschte.
Dies ist nicht zeitgemäß.
Wir wollen den Kulturbunker Mülheim zum Ort der Heimaten machen, die die Mülheimer*innen in sich tragen.
II. Der Kulturbunker Köln-Mülheim
Der Kulturbunker Köln-Mülheim e. V. wurde 1991 mit dem Ziel gegründet, den ehemaligen Luftschutzhochbunker in der Berliner Straße zu einem kulturellen Standort umzuwidmen. Wir fördern im Stadtteil Kunst und Kultur. Der Kulturbunker ermöglicht die Begegnung von Menschen verschiedener sozialer Schichten, Nationalitäten und Altersgruppen. Wir sind das einzige Kulturzentrum in einem Stadtteil von 150.000 Einwohnern, wovon die Hälfte eine Zuwanderungsgeschichte hat.
Bis vor einigen Jahren wurde der Kulturbunker allerdings fast ausschließlich seitens auswärtiger Veranstalter genutzt. Weder der Trägerverein und das Leitungsteam noch das Programm repräsentierten die Bevölkerungsvielfalt des Stadtteils.
III. Ausgangssituation
Seit zwei Jahren – der Vorstand hat sich verjüngt und ihm gehört erstmalig eine Frau mit Einwanderungsgeschichte an – richten wir uns bewusst an die gesamte Mülheimer Bevölkerung. Dies schliesst die migrantischen Communities (türkische, kurdische, russische, afrikanische Gruppen, etc.) und ca. 1300 Geflüchteten ein.
Wir wählen mittlerweile an uns herangetragene Veranstaltungen nach folgenden Gesichtspunkten aus:
Eigene Angebote gestalten wir unter diesen Aspekten:
Mit unseren eigenen Angeboten haben wir einen ersten Schritt getan, die verschiedenen kulturellen Prägungen der Mülheimer*innen sichtbar zu machen. Viele Menschen, die bisher wenig Bezug zu Kunst und Kultur hatten, nehmen jetzt die Gelegenheit wahr, Theater, Konzert und Lesungen zu besuchen.
Gemeinsam beschäftigen wir uns neu mit gesellschaftlichen Themen und setzen uns zu Identitätsfragen auseinander.
Mit dem Konzept „Mülheimer Heimatministerium“ (MülHeiMin) schärfen wir dieses interkulturelle Profil.
Wir wollen die vielen kulturellen Identitäten zu einem vielfältigen Gemeinschaftsmodell vernetzen und die Gestaltung des Veedels als Wunschort im Sinne Fronhofs anregen und unterstützen.
IV. Konzept „Mülheimer Heimatministerium“
Wir werden den Kulturbunker Mülheim für drei Jahre in das „Mülheimer Heimatministerium“ umwidmen.
Dies geschieht virtuell über unsere Kommunikationskanäle, Web Auftritte und Mailings. Vor Ort werden wir ein Banner an der Aussenfassade anbringen und unsere gedruckten Programme und Flyer entsprechend gestalten. Die Ergebnisse stellen wir der Presse vor. Wir setzen für jedes Jahr ein Schwerpunktthema mit eigenem Kurator.
A. Jahr 1: „Heimatgeschichte(n)“
Den Schwerpunkt des ersten Jahres bildet die junge deutsche Geschichte um den „Gastarbeiter“ und die Arbeitsmigration in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Wir widmen uns der geschichtlich vernachlässigten Einwanderung der frühen 1960er. Ziel ist, ein lebendiges Bild dieser Zeit zu zeichnen, Wissen zugänglich und authentisch zu vermitteln und diese Phase als identitätsbildend für Deutschland darzustellen:
B. Jahr 2: „Heimat jetzt!“
Im zweiten Jahr widmen wir uns dem gegenwärtigen Heimatbild. Dies schliesst die aktuelle politische Diskussion ebenso ein wie Heimatgefühl(e) 2018 / 2019 ein. Ziel ist, im gleichberechtigten Austausch aller Akteure den Heimatbegriff zu erörtern, Gemeinsamkeiten zu finden und Unterschiede zu pflegen.
Wir beginnen das Themenjahr mit einem „Heimat, fest!“ Wochenende:
C. Jahr 3: Heimat, los! (destination home)
Im dritten Jahr entwickeln wir aus der Einwanderungsgeschichte und den aktuellen Diskussionen um Definition von Zugehörigkeit und Heimat ein Zukunftsmodell. Ziel ist, die Sackgassendiskussion um Teilhabe in konkrete Ideen zu überführen: Wie wird aus dem Stadtteil Heimat? Für die, die da sind, für die, die noch kommen.
Wir beginnen mit einem Ideenwettbewerb zum Thema „Raumschiff Heimat“.
Am Wettbewerb können sich alle Kölner*innen beteiligen. Die Ideen werden zum „Heimat, los!“ Wochenende vorgestellt und die Besucher stimmen ab, welches Modell ihnen am besten gefällt.
Für das Modell mit den meisten Stimmen werden Paten bestimmt, die die Umsetzung für die folgenden 12 Monate begleiten. Aktivitäten werden per VLog auf der Website des Heimatministeriums dokumentiert und zum Abschluss des 3. Jahres präsentiert.
V. Perspektive
Die in den drei Jahren begonnenen Aktivitäten, Projekte und Vernetzungen werden zu festen Sparten des Kulturbunkers entwickelt. Initiativen im Stadtteil und Einzelpersonen werden als Akteure, Paten und Multiplikatoren für die Heimatwerdung Mülheims dauerhaft gewonnen.
Der Kulturbunker wird zur offenen Heimatwerkstatt, die Impulse in die Stadt(teil)gesellschaft gibt und Themen setzt.